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Blutige Kohle für deutsche Konzerne
Ermordete Gewerkschafter, Zehntausende Vertriebene: Rohstoffkonzerne in Kolumbien sollen massiv Menschenrechte verletzt haben. Auch deutsche Konzerne sind Kunden.
Markus Balser / Montag 30. Juni 2014 / Español
 

Markus Balser kam 2001 zur Süddeutschen Zeitung. Er ist Absolvent der Kölner Journalistenschule und Diplom-Volkswirt und war zunächst in der Wirtschaftsredaktion in München tätig. 2013 wechselte er nach Berlin und berichtet von dort aus über Energie- und Umweltthemen. 2007 wurde Balser zusammen mit Klaus Ott und Hans Leyendecker für die Recherchen zum Siemens-Schmiergeldskandal mit dem Henri-Nannen-Preis ausgezeichnet. 2008 war er als Stipendiat der Arthur F. Burns Fellowships Gastredakteur des Wall Street Journal in New York.

Schlecht bezahlte Schwerstarbeit: Kohleabbau im kolumbianischen Tausa. Die Menschen kämpfen für bessere Bedingungen - ein gefährlicher Kampf.
(Foto: Fernando Vergara/dpa)

Es waren nur wenige Sekunden am 27. Mai 2013, die das Leben von Rubén Morrón auf den Kopf stellten. Die Bewaffneten wussten, dass der Gewerkschafter gerade im Taxi durch die nordkolumbianische Stadt Barranquilla fuhr. Sie wussten, dass er schon am nächsten Tag Verhandlungen über bessere Arbeitsbedingungen von Tausenden Minenarbeitern des US-Giganten Drummond führen wollte. Und sie hatten den Auftrag, das zu verhindern. Die Täter eröffneten das Feuer, als ihr Motorrad noch ein gutes Stück entfernt war. Die Kugeln trafen das Heck des Fahrzeugs und blieben stecken. "Es gleicht einem Wunder, dass ich noch lebe", sagt Morrón.

Morrón, 48, ein schlanker, großer, zurückhaltender Mann, gehört zu den vielen Leidtragenden eines jahrelangen blutigen Konflikts um Kohle aus Kolumbien - einem der wichtigsten Lieferländer auch für deutsche Energieversorger wie Eon, RWE, EnBW und Vattenfall. Es ist die Geschichte von Wundern und blauen Wundern. Und von schier unglaublichen Vorwürfen im globalen Rohstoffgeschäft, vor allem gegen die Branchengiganten Drummond aus den USA und Glencore aus der Schweiz.

Die internationale Friedensorganisation Pax mit Sitz in den Niederlanden enthüllt in einem neuen Bericht detaillierte Vorwürfe über jahrelange Menschenrechtsverletzungen in der Kohleregion: Demnach sollen Konzerne wie Drummond und die Glencore-Tochter Prodeco nicht nur Kontakte zu paramilitärischen Einheiten unterhalten haben. Eine der gefürchteten Gruppen soll sogar auf Geheiß von Drummond 1999 entstanden und von dem Konzern maßgeblich finanziert worden sein. "Wir haben Aussagen von ehemaligen paramilitärischen Kommandanten der AUC, dass die Minenbetreiber Glencore und Drummond seit 1996 halfen, eine militärische Einheit aufzubauen. Sie begannen 1996 mit 40 bis 60 Männern. 2006 war diese Gruppe auf eine kleine Privatarmee mit 600 Soldaten angewachsen", sagt Studienautorin Marianne Moore.

Mit schlimmen Folgen für die Kohleregion Cesar. Die berüchtigte Juan Andrés Alvares Front soll dem Bericht zufolge für den Tod von mehr als 3000 und das Verschwinden mehrerer Hundert Menschen verantwortlich sein. Auch an der erzwungenen Umsiedlung von 55 000 Menschen aus den Lizenzgebieten der Tagebau-Betreiber soll die Organisation beteiligt gewesen sein. Dem Bericht zufolge soll auch die Ermordung mehrerer Gewerkschafter ein Ergebnis dieser Zusammenarbeit gewesen sein. "Die Zeugenaussagen sowohl von Opfern als auch von Tätern machen deutlich, dass die Bergbauunternehmen bis heute von dieser Kooperation profitieren." Der Bericht wirft ein Schlaglicht auf das weltweit kaum kontrollierte und intransparente Geschäft mit Rohstoffen. Mit Koffern voller Geld sowie verdeckten Überweisungen etwa über Dienstleister soll der US-Konzern Drummond Zahlungen an die Paramilitärs der Juan Andrés Alvarez Front geleistet und so etwa den Kampf um bessere Arbeitsbedingungen unterminiert haben. Bei einem einzelnen Dienstleister sollen allein 900 000 Dollar geflossen sein.

Die Folge: Gewerkschaften hatten keine Chance, ihren Einfluss auszubauen, um gegen Zwölfstundenschichten, Gesundheitsgefahren und ungleiche Bezahlung vorzugehen. Wie Morrón mussten viele aus der Region fliehen. Er flüchtete mit seiner Familie zuerst in die Hauptstadt Bogotá. Doch seine Verfolger blieben ihm auf den Fersen. Es folgten immer neue Drohungen. Heute lebt Morrón im Exil - in Paris.

Morrón musste sich ausgerechnet dort in Sicherheit bringen, wo ein Großteil der Kohle in Strom verwandelt und verbraucht wird: in Europa. Drei Viertel der Gesamtproduktion der drei kolumbianischen Kohlekonzerne werden laut Schätzungen nach Europa exportiert. Heute wird ein Fünftel des deutschen Stroms mit Steinkohle erzeugt. Und Kolumbien ist, nach den USA und Russland, der drittwichtigste Lieferant. Eon, Vattenfall und EnBW deckten ihren Steinkohlebedarf im vergangenen Jahr zu 20 bis 34 Prozent aus Kolumbien. Wie groß der Anteil der umstrittenen Lieferanten ist, ließen die Konzerne am Donnerstag offen.

"Wir brauchen mehr Transparenz im globalen Geschäft mit Rohstoffen."

Umweltschützer mahnen Konsequenzen an: "Wir fordern Deutschlands Energiebranche auf, Geschäftsbeziehungen zu Drummond auszusetzen", sagt Heffa Schücking, Chefin der Organisation Urgewald. Und: "Wir brauchen mehr Transparenz im globalen Geschäft mit Rohstoffen." Glencore weist die Vorwürfe auf SZ-Anfrage zurück. "Nichts davon ist wahr", sagt ein Sprecher des Konzerns. Es gebe keine Beweise für die Verstrickung von Glencore und Prodeco mit paramilitärischen Gruppen, Zahlungen an solche Gruppen oder die Verbindung der Unternehmen zu Zwangsumsiedlungen. Drummond äußerte sich gegenüber der SZ nicht zu den Vorwürfen. In einer früheren Stellungnahme heißt es, der Konzern habe niemals illegale Truppen unterstützt.

Die deutschen Unternehmen verweisen auf ihre Initiative Better Coal, die an Lieferanten ethische, soziale und umweltbezogene Standards setzt. Doch der Handel über Zwischenhändler ist im Kohlegeschäft weit verbreitet, die Herkunft der Kohle beim Kauf dann kaum nachzuvollziehen. EnBW erklärte, man stehe im Dialog mit Politik, den betroffenen Unternehmen, Gewerkschaften und NGOs, um zu prüfen, wie wir mit den Vorwürfen umgehen.