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Dabeiba hat sich nicht vom Krieg erholt
Nach Jahren voller Schmerz und Tod erwacht Llanogrande zu neuem Leben und reicht seine Hand zur Versöhnung
Bibiana Ramírez / Montag 24. April 2017 / Español / English
 
Llanogrande. Foto Bibiana Ramírez - APR.

Llanogrande ist vielleicht eine der am stärksten von Gewalt heimgesuchten Gemeinden Antioquias. Sie liegt im Westen des Distrikts und man nennt sie Die Tür zu Urabá, obwohl sie wegen der Morde, der Vertreibungen und des Leids, von denen jeder Bauer dort berichten kann, auch Die Tür zum Terror heißen könnte. Im Jahr 1996 kamen die Paramilitärs, und die ersten Massaker begannen.

Aber zuvor war Dadeiba ein blühendes Land. ,,Hier wurden alle Arten von Obst angebaut, wir haben einen sehr fruchtbaren Boden. Man kam hierher, und überall kauften die Menschen, was wir hatten. Auf den Märkten, in den Läden, sogar in Kantinen. Die Menschen haben dutzendweise Obst gekauft. Ich habe das Geld gezählt und dachte: Ich habe jetzt Geld, um auf den Markt zu gehen“, erinnert sich Judith, Präsidentin des kommunalen Aktionskomitees von Barrancas.

Die Stadt war an Samstagen und Sonntagen so voll, dass es kaum Platz gab, sich zu bewegen. Aber als die Farc Llanogrande im Jahr 1999 belagerte, flüchtete die Hälfte der Bevölkerung. Die meisten von ihnen gingen nach Medellín, viele starben, und nur ein paar blieben, aber auch sie litten unter dem Bürgerkrieg. „Wir mussten in den Bergen schlafen, wir haben den Krieg immer noch nicht überwunden“, sagt einer von Judiths Söhnen.

Llanogrande lag im Zentrum der Gefechte, aber mittlerweile haben sich die Dinge geändert, denn es wurde eine Friedensvereinbarung ausgehandelt. Die Bauern stehen zu den Friedensvereinbarungen, sie wollen einfach nur Versöhnung.

Luis überlebte, um zu berichten

Luis ist ein lebensfroher Bauer, der bereitwillig berichtet, wie er den Krieg überstand. Er lebte in Cañaveral, musste aber mit seiner Familie nach Medellín fliehen. Nach zwei Jahren hielt er es dort nicht mehr aus, er vermisste seine Heimat und beschloss zurückzukehren, aber diesmal nach Llanogrande.

Die Paramilitärs fuhren in Dadeiba immer wieder mit einem weißen Van herum, brachen in Häuser ein und entführten die Bewohner, manchmal stahlen sie sogar ihre Schuhe. Die Unglücklichen kehrten nie zurück. Drei Männer hatten dort unumschränkte Macht: Conrado, Pelusa und Escalera. Der letztere hatte an der Weggabelung nach Urama und Llanogrande eine Markierung angebracht. Dort tötete er willkürlich Bauern, zerstückelte sie und warf sie in den Fluss. „Escalera war ein berüchtigter Psychopath. Er war groß und fett. Einmal trieb er uns alle an der Weggabelung zusammen, zeigte eine lange Liste mit Namen und sagte, er würde alle auf der Liste töten“, erinnert sich Luis.

Acht Tage später war Luis mit anderen Bauern auf dem Weg in die Stadt, als in der Nähe der Weggabelung ein Guerillakämpfer den Weg versperrte und sagte, dass sie dort bleiben müssten, bis neue Anweisungen kämen. „Wir wurden wie Vieh neben einem Baum zusammengetrieben. Ein Kommandant sagte uns, dass sie einige Hindernisse auf diesem Weg entfernen würden. Kurz darauf sahen wir 15 tote Paramilitärs entlang der Brücke, und dann schleppte man die Leiche von Escalera herbei. Die Guerilleros sagten uns, dass sie mit ihm machen würden, was er mit den Bauern gemacht habe, und man uns dann gehen lassen würde.“

„Ich war in der Stadt, als ein Lieferwagen neben mir bremste und man mich kidnappte. Wir alle wussten, dass die Männer im Auto Paramilitärs waren. Ich konnte zum Glück fliehen und mich in einer Apotheke verstecken. Dort hat mich ein Soldat beschützt. Die Paramilitärs verfolgten mich den ganzen Nachmittag. Ein Cousin von mir hatte einige Schüsse gehört und gesagt, dass man mich getötet habe. Die Nachricht hatte sich schon in der ganzen Gegend verbreitet. Als ich am nächsten Tag nach Hause kam, konnte es meine Familie nicht glauben.“

Luis vermied es nun, in die Stadt zu fahren. Jetzt musste seine Frau alle 8 Tage Lebensmittel kaufen. Aber vor drei Jahren ging er wieder nach Llanogrande. Da sandten ihm die gleichen Männer, die ihm damals gefolgt waren, Grüße. „Voller Wut habe ich ihnen sofort eine Nachricht geschickt: Dass sie kommen könnten, wann immer sie wollten, dass ich ein Huhn für sie schlachten würde, dass die Hühner schon sehr groß seien. Ich habe mir dann eine Pistole besorgt, um mich zu beschützen. Aber niemand ist gekommen, und ich habe die Pistole verkauft.“

Danach wurde Luis von der Armee verhaftet, angeblich, weil er der Kommandant der Fünften Front der FARC sei. „Ein Soldat hat mir gesagt, dass ich jetzt festgenommen sei, dass ich mich nicht mehr frei bewegen könnte. Ich legte die Schaufel beiseite, sie fesselten mich und brachten mich zum Corraleja. Um zwei Uhr nachmittags kam ein Helikopter und brachte mich in die Stadt, ins Gefängnis. Ich war acht Tage dort, aber sie hatten keine Beweise gegen mich.“

Ein anderer Zwischenfall ereignete sich, als er auf einem Bauernhof als Knecht arbeitete. „Es war um vier Uhr am Morgen. Ich melkte gerade eine Kuh und hockte mit dem Eimer auf dem Boden, als ich plötzlich von zwei Männern in Tarnanzügen umstellt wurde. Ich blickte auf, ich konnte nicht ausweichen. Einer der Männer stieß mir den Gewehrkolben in den Bauch. „Melke schnell diese Kuh“, sagten sie und verlangten die Milch. Es waren Paramilitärs aus Aguila. Dort hatten sie schon Juan getötet. Sie tranken die Milch und gingen. Um sechs Uhr mussten wir die Milch in die Molkerei bringen, in der Nähe der Weggabelung. Ich ging mit meinem Sohn. Als wir dort ankamen, sahen wir, dass sie den Milchmann getötet hatten. An diesem Tag hätten wir drei tote Männer sein können.“

Llanograndes Mutter

Carmen ist eine kleine Frau mit braunem Teint. Ihr Lächeln verrät Schüchternheit. Sie wohnt auf einer Anhöhe, von wo sie die ganze Landstraße sehen kann. Neben ihrem Haus weht eine weiße Fahne, die ohne Unterbrechung im Wind flattert. Ab fünf Uhr morgens ist sie in der Schule, um für die Gemeinde in einem Gemeinschaftsrestaurant zu arbeiten, das von einer Gruppe von Frauen geführt wird.

Vor zehn Jahren hat die FARC ihren Mann getötet. Er war Präsident des Gemeinschaftsaktionskomitees. Über diesen Tod wurde kaum berichtet. Zurück blieben zwei Waisenkinder und eine verängstigte Gemeinde. „Es ist um 6 Uhr abends passiert. Wir hörten Schüsse in der Nähe des Baches. Wir waren schockiert. Ein bisschen später kamen zwei Guerillas und sagten uns, wir sollten uns auf der Straße versammeln. Wir gingen alle hin. Sie sagten uns, dass es Tote gegeben habe. Ana, eine Nachbarin, hat gesagt, dass man die Menschen auf Grund von Gerüchten, von Klatsch, erschossen habe.

Carmen kann nicht darüber reden. Carmen besitzt eine 17 Hektar große Farm, von denen acht Hektar an die Regierung vermietet sind. Eigentlich möchte sie die ganze Farm vermieten, weil die Lage wegen der dort lebenden 250 Guerillas unsicherer geworden ist.

Ich frage sie, was sie von der Farc und der Regierung hält. „Man hat mir die gleiche Frage schon öfter gestellt. Aber wissen Sie, ich habe seit damals vergeben. Ich gehe in der Arbeit für die Gemeinschaft und für meine Kinder auf, nach dem Beispiel meines Mannes. Was geschieht, hat einen Grund, wir müssen uns versöhnen, in Frieden leben. In meinem Herzen gibt es keinen Hass.“

Während wir sprachen, kamen Gruppen von Guerilleros und Regierungssoldaten. Sie waren bis an die Grenzen der Farm marschiert, um die letzten Einzelheiten des Friedensvertrags auszuhandeln. Carmen bietet ihnen Soda an, um den Durst zu stillen. Einer der ältesten Guerillas wirft einen Blick in das Haus, er sieht ein Bild von Carmen mit ihrem Mann, und sein Gesicht wird nostalgisch. Carmen bedient sie höflich und zurückhaltend, und sie bedanken sich.

„Seit Carmen verwitwet ist, versuchen wir alle, ihr zu helfen. Wir sagen ihr immer, dass wir in jeder Not für sie da sind. Sie ist die Mutter von Llanogrande. Sie lebt für die Gemeinschaft. Sie opfert sich auf, sie hilft und arbeitet“, bestätigt Ana.

Übersetzt von Lina Castillo